Wad dat wohl für’n Hokuspokus wird…
…war eine der ersten Reaktionen direkt nach der heidnischen Hochzeit (Eheleite), die ich vor kurzem durchführte. Und was im ersten Moment so kritisch klingt, war dann gar nicht so gemeint. Worum ging es also, welche Eindrücke wurden kommuniziert und was habe ich daraus mitgenommen?
Viele der Gäste sprachen mich gleich nach der heidnischen Zeremonie an, dass sie sowas zwar bisher noch nicht kannten, es aber als feierlich und naturnah empfanden. Sowas hört man natürlich gern, zumal wenn man von außen auf eine mehr oder weniger unbekannte Umgebung trifft. Im Vorwege fanden zwar einige Abstimmungsrunden mit dem Brautpaar und den Eltern statt, was aber den Faktor Gäste betrifft, bleibt dies in vielen Fällen eine große Unbekannte. Was allerdings auf Gegenseitigkeit beruht, denn keiner der Gäste konnte sich etwas unter einer „heidnischen Eheleite“ vorstellen – was aufgrund der geringen Verbreitung ja auch wenig verwundert.
Aus Gesprächen habe ich dann erfahren, dass es als „natürlicher“ empfunden wurde, im Vergleich zu einer kirchlichen Trauung. „Natürlicher“ wahrscheinlich deshalb, weil Natur und Landschaft, in der die Götter verortet werden, eine wesentliche Rolle im heidnischen Ritus einnehmen, neben den Ahnen. Und die durchführende Person nicht so sehr im Mittelpunkt steht, wie z.B. so manch ein Priester während der kirchlichen Trauung. Früher wurden derlei Zeremonien sicher von den Sippenältesten durchgeführt. Dennoch ist natürlich der Wunsch nach einer feierlichen Atmosphäre da, auch wenn’s nicht kirchlich sein soll. Wohingegen freie Redner häufig als zu profan und nicht feierlich genug wahrgenommen werden. Das kann natürlich auch mit dem Fehlen der „spirituellen“ Komponente zusammenhängen. Aber wie auch immer, der Bereich zwischen kirchlicher und weltlicher Trauung ist reich an Möglichkeiten, was jedoch etwas Recherche und Glück voraussetzt, um das für sich passende zu finden.
„Wad dat wohl für’n Hokuspokus wird…“ denken dann wohl viele, die sich nichts unter einer germanischen Eheleite nach Alter Sitte vorstellen können. Vorstellungen von bunter Esoterik, Hippie-Style bis hin zu verklärter Naturromantik oder NS-Nostalgie sind weitläufig verbreitet, das wissen wir alle. Und jeder von uns weiß ebenso, wie falsch diese Vorstellungen sind.
Mit der älteren Dame, die das mit dem Hokuspokus sagte, kam ich ganz offen ins Gespräch. Sie steht allem Religiösen, insbesondere aber der christlichen Kirche, sehr kritisch gegenüber, fand die heidnische Art der Eheschließung aber recht angenehm und unaufdringlich (undogmatisch). Dazu muss man sagen, dass die Eheleite auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stattfand. Hier ist man generell unreligiöser. Im „Westen“ gehörte zu meiner Zeit der Religionsunterricht an Schulen zum Standard. Inhaltlich natürlich christlich geprägt und es lässt sich auch zu Recht bemängeln, warum an einer staatlichen Schule, wo doch Staat und Kirche getrennt sein sollen, schwerpunktmäßig christlicher Religionsunterricht stattfinden muss. Die andere Seite ist allerdings, und das habe ich erst später verstanden, dass es durchaus den Effekt haben kann, überhaupt religiös empfinden zu können, bzw. Religion „gelernt“ zu haben – im Vergleich zum mehrheitlich areligiös geprägten Osten wohlgemerkt. Meinem Eindruck nach kann der Zugang zu einer anderen religiösen Sphäre, wie z.B. zur vorchristlichen, aus einer christlichen Akkulturation heraus leichter fallen, im Vergleich zu jemandem der von vornherein areligiös akkulturiert ist. Vielleicht so eine Art Transferleistung.
Zurück zur Eheleite; alberner Hokuspokus oder ernstzunehmende Zeremonie? Das wird von vielen Faktoren beeinflusst, unter anderem durch Authentizität und Auftreten.
Insgesamt war der Platz außerordentlich schön und vor allem passend eingerichtet. Es sollte auf dem Grundstück der Großeltern stattfinden, inmitten eines kleinen Dorfes. Früher Bauernhof, heute Wohnhaus. Unverkennbar der hallenförmige Bau der früheren Bauernstelle. Ausreichend Fläche für ein Festzelt ist in so einem Fall natürlich vorhanden. Vorgelagert einige alte Obstbäume und einen hatte sich das Brautpaar gleich von vornherein für die Zeremonie ausgeguckt. Ich empfahl einen Kreis nach althergebrachter Weise mit Haselruten (Haselhegung) abzustecken und diese mit einem Band, dem Vébond, zu verbinden. Dadurch ergibt sich automatisch ein innerer und äußerer Kreis, der Brautpaar, Zeugen und Eltern von den Gästen trennt und zugleich das Herausheben aus der Profanität des Alltags unterstützt. Eine erhabene Atmosphäre steht oder fällt auch mit der richtigen Nuance der Hilfsmittel. Zwei dezente Räucherschalen am Eingang der Haselhegung mit einer Mischung aus Kräutern und Harz wurden nach einer kurzen Ansprache vom Brautpaar, den Trauzeugen, den Eltern und mir durchschritten, um sich vor einem Eichenholz-Altar unterhalb des Baumes aufzustellen. Und von hier weiter mit folgendem Ablauf:
1. Einleitung – Einhegung und Weihe
a) Haselhegung
b) Hammerweihe
2. Ansprache
3. Anrufung
4. Trauzeugen
5. Eheversprechen und Ringwechsel
6. Weihe des Ehepaars
7. Hochzeitshorn
8. Übergabe des Eheleuchters und Thorshammers
9. Öffnen des Festkreises
Was sich in dieser Form der Eheleite abspielt ist im Grunde ein bodenständiges Vorgehen. Ohne „esoterische Spielereien“ oder unnützem Geschwurbel, das nur dem künstlichen Aufbauschen dient. Drei Aspekte sind essenziell erkennbar:
- Die Nähe zur Natur bzw. dass es in einer natürlichen Umgebung stattfindet,
- das gegenseitige Versprechen im Angesichte der Götter,
- der Mensch steht im Mittelpunkt (kein „Priester“ als Mittler zwischen Mensch und Göttern).
Ein sehr schöner Bericht. Ich wünschte, ich wäre damals schon so weit gewesen.
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