Das Leuchten im Disensaal

Dísarsalr ist eines dieser klangvollen Worte, die uns aus der altnordischen Zeit in den Sagatexten überliefert wurden. Vom Wortklang her roh und archaisch, nicht aus dieser Zeit und gänzlich unbekannt im alltäglichen Dasein. Und doch von rauher Schönheit und Harmonie. Jedenfalls in all jenen Ohren, denen der Klang von Ursprung und Widerborstigkeit keine Unbekannten sind, sondern mehr ein verinnerlichtes Lebensprinzip.

Dísarsalr. Vieles in der heutigen Zeit ist klar definiert und normiert. Dísarsalr ganz sicher nicht. Dísarsalr  ist das genaue Gegenteil! Es strotzt nur so vor Uneindeutigkeit. Zwar kennen einige Quellen Opferstätten, die Dísarsalr genannt werden, also Stätten an denen das Dísarblót stattfand, doch allein das Wesen der Dísir bleibt dabei so schemenhaft, daß sich erst recht unter einem Disen-Saal kaum etwas vorstellen läßt.

Mehrere Quellen kennen eine Opferstätte, die disarsalr genannt wird, also ein Disensaal, Disentempel oder Opferheiligtum, an dem das Disenopfer stattfindet. Erwähnungen lassen sich in der Hervararsaga, Ynglingasaga (Heimskringla I), Historia Norwegiæ sowie der Friðþjófssaga finden. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Sakralbau, vielleicht in Form eines Hörgr oder eines größeren Tempelgebäudes. Für einen Hörgr könnten verschiedene Ortsnamen sprechen, für einen geschlossenen Raum hingegen die Verwendung des Wortes ’salr‘. Asentr.eu Disarsalr

In der altnordischen Dichtung wurden jedoch die Götterwohnsitze häufig als salr bezeichnet bzw. der ganze Kosmos in „Sälen“ gedacht: Fensalir, Bergsalr, Heimsalr, Sólarsalir, Mánasalir usw.

Sich die Stätte als Saal vorzustellen oder auf diese Weise zu umschreiben, ist eine dieser schönen alten Ausdrucksformen, in der eine gewisse Ehrfurcht mitschwingt.

Den Alfen und Disen Verehrung entgegen zu bringen, speziell an den Übergängen der Vegetationszeit, also der Zeit zwischen Winter und Frühjahr und der Zeit zwischen Herbst und Winter, halte ich für eine gute Sache. Dies fällt in den Bereich der häuslichen Opfer, die primär Haus und Hof betreffen. Insbesondere die Alfen werden häufig als die ursprünglichen Besitzer des Hofes angesehen. Und wenn ich dabei mal an unser Grundstück denke, das sich in einem völlig verwilderten Zustand befand, bevor wir es kauften und unser Haus darauf bauten, liegt der Gedanke durchaus nah, daß wir nicht die einzigen Bewohner dieses Grundes sind. Heute in der Stadt ist sowas natürlich umso schwerer vorstellbar, aber auch dort, wo heute alles dicht bebaut ist, befand sich vor noch nicht allzu langer Zeit mal etwas anderes.

In „Germanische und Baltische Religion“, dem Band 19 aus „Die Religionen der Menschheit“ von Ström und Biezais, habe ich auf Seite 164 einen vielsagenden Hinweis auf ein christliches Verbot aus Schweden um 1430 gefunden, das lautet:

[…] tha skalt thu ey thro uppa tompta gudha.

[…] dann sollst du nicht an die Götter des Hofes glauben.

Dies stammt aus einer Zeit, in der man den „Kobolden“ (den Tomte) das eine oder andere hingestellt hat. Dem christlichen Eifer war das natürlich ein Dorn im Auge. Heute wäre es in Schweden wohl eher der muslimische Eifer, welcher heidnischen Handlungen zusetzt. Zeiten, die sich ändern.

Aber zurück zu Haus und Hof – und dem geheimnisvollen Leuchten und dem noch geheimnisvolleren Disensaal.

Wenige Tage ist’s gerade her. Draußen verharrt alles in Eiseskälte. Besonders in sternklaren Nächten. An einem dieser Abende „schmückte“ ich den Hörgr mit Lichtern, die alles rings um die Steine in ein warmes Kerzenlicht hüllten, während über mir die hellen Sternbilder funkelten und meine Schritte im gefrorenen Gras knirschten. In den kleinen steinernen Opferbrunnen am Fuße des Hörgrs stellte ich das Disenlicht, eine mit Wachs gefüllte und mit Docht versehene Metallschale. Dort stellte ich auch eine Schale mit Opfergaben zusammen mit dem Eidring nieder.

 

Heil’ge Disen, wir rufen euch.

Gabenspendende, Segen und Fülle Sendende.

Schützt  Haus und Hof

Und wirkt in Wald und Flur.

Frauen bringt ihr sichere Geburt,

laßt Kinder wachsen und wohl gedeihen

Gebt Schutz unseren Sippen und führt Männer heil heim aus Gefahr.

Nehmt Platz im lichten Saal und seid stets willkommen.

 

2 Gedanken zu „Das Leuchten im Disensaal

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