Unsere Kinder sind jetzt in einem Alter, in dem sie sich aktiv für Dinge interessieren und nachfragen, wenn sie etwas wissen wollen. Zum Beispiel, was denn eigentlich in dem alten Buch mit der glänzenden Aufschrift „Götter- und Heldensagen“ so alles drinsteht, das bei mir auf dem Nachtschrank liegt. Und dann auch noch diese Frakturschrift, die nur der Papa entziffern kann… und die in Schwarzweiß gehaltenen Strichzeichnungen… all das sieht so ganz anders aus, als in den übrigen Büchern und erregt das forschende Gemüt…
Also gingen wir vor einer Weile dazu über, vorm Insbettgehen immer eine Geschichte aus dem Buch vorzulesen. Ganz vorn dabei: Thors Riesenabenteuer. Das ist natürlich nicht immer ganz leicht, weil die Sprache und Wortwahl für Kinder teils unverständlich ist und andererseits, weil gewisse Szenen gewaltätige Handlungen beschreiben, die kindgerecht umschrieben werden müssen, ohne den dahinterliegenden Sinn zu verstellen. Sowas ist auch immer eine Gratwanderung zwischen Detailtiefe und überflüssiger Ausschmückung. Dennoch: Einer Zerstörung folgt immer die Neuerschaffung.
Nun hören die beiden generell gerne Kinderhörbücher und kombinierten recht schnell, daß es doch bestimmt auch die Göttersagen als Hörbuch geben müßte…? Ja, natürlich gibt es das, klar. Doch auch hier wieder; Sprache und Beschreibung der vorgelesenen Texte… kindgerecht oder nicht? Also bestellte ich drei Exemplare und hörte vorab rein.
Prägnant ist gleich zu Beginn die Szene des kosmogonischen Mythos um Ymir: Die ersten Götter, Odin, Vé und Vili, töten Ymir und bauen aus seinen Körperteilen die Welt: aus seinem Fleisch die Erde, aus dem Blut das Meer, aus seinen Knochen Felsen und Gebirge, aus seinem Haar die Bäume, aus seinen Augenbrauen Midgard, aus seinem Schädel den Himmel und aus seinem Gehirn die Wolken. Die Zerteilung Ymirs kann ganz unterschiedlich ausgeschmückt werden.
Die zweite Szene, die sich auch ziemlich am Anfang abspielt und einen guten Anhaltspunkt gibt, ist Odins Ankunft an Mimirs Brunnen. Damit Odin aus der Quelle der Weisheit trinken kann, muß er sein Auge opfern und in den Brunnen legen. Sein Auge herausreißen oder irgendwie mit einem Messer heraustrennen ist viel zu detailliert und nicht kindgerecht. Hingegen – Odin legt sein Auge in den Brunnen oder ins Wasser ist vollkommen ausreichend und beschreibt trotzdem die dahinterliegende Idee.
Als kurzes Fazit läßt sich festhalten:
a) Rechts oben „Sagen aus dem hohen Norden“ ist gut erzählt, aber eindeutig für Erwachsene.
b) Unten von Neil Gaiman „Nordische Mythen und Sagen“ halte ich durchaus für Kinder ab 7 Jahre geeignet. Zwar wirkt das Cover mit dem bös‘ dreinblickenden Wolfskopf auf den ersten Blick etwas beängstigend (auf Kinder), steigert aber eher das Interesse durch die Faszination des Schaurigen.
c) Links oben „Die große Hörbuchbox der Nordischen Sagen“ halte ich persönlich für durchgehend kindgerecht gestaltet, was sich nicht nur an den lustigen Bildern zeigt, sondern auch inhaltlich widerspiegelt.