Erinnerung
Als wir 2014 mit unserer Familie hier auf’s Land zogen, bewohnte ich zuvor eine kleine Übergangswohnung auf einem alten Gutshof. In unmittelbarer Nähe lag mitten in einem Feld eine Megalithanlage, die sich in einem völlig verwilderten und zugewachsenen Zustand befand. Ich entdeckte sie zufällig. Um mir überhaupt Zugang zu verschaffen, musste ich zunächst haufenweise Totholz beiseiteschaffen.
Verwilderte Steine
Mir erging es zuletzt so, als ich eigentlich nur mal im Vorbeigehen eine völlig verwilderte Megalithstätte in Mecklenburg-Vorpommern erkunden wollte. Völlig überwuchert mit Gestrüpp und Unmengen von abgestorbenem Astwerk, quälte ich mich dann doch durch eine halbwegs große Öffnung in einem Holunder. Im ersten Moment eröffnete sich mir ein bedauernswerter Zustand: Die Oberfläche von scheinbar illegalen Grabungen zerfurcht und zusätzlich mit unzähligen Feldsteinen und Resten eines abgestorbenen Baums überlagert. Aber an der Besonderheit des Ortes änderte dies nichts – eingebettet in die Abgeschiedenheit weiter Felder, ragten die Steinfragmente zwischen Moos und Farn hervor. In der Folgezeit nahm ich behutsam einige Veränderungen in der Weise vor, daß ich den mittleren Bereich vom Totholz und Gestrüpp befreite und einen Grabungstrichter mit Steinen füllte. Draußen vom Feld her blieb lediglich ein kleiner Eingang inmitten der dichtgewachsenen Holunderbüsche, der im Innern die Ahnenstätte freigibt. Zuletzt richtete ich eine kleine Opferstätte ein.
Jetzt
Diese Entwicklung endete 2014 mit dem Einzug in unser Haus. Doch beflügelt von dem Wunsch, besonders diesen Ort, sowie auch einige weitere Plätze (die mir viel Kraft gaben), nach inzwischen vier Jahren wieder zu besuchen, entschlossen MON und ich uns kurzerhand zu einem abendlichen Ausflug in diese wunderschöne Endmoränenlandschaft am Warnowtal.
Als ersten Anlaufpunkt wählten wir einen alten Hohlweg, der in Steilhängen mit auffälligen Felsen eingebettet liegt. Man kann sich das so vorstellen: Sonnenlicht gefluteter Himmel scheint durch die Kronen, im Hintergrund murmelt das Wasser der Stromschnellen.
Wir könnten hier Stunden zubringen, doch unser Weg führt uns nun zu der verwilderten Steinstätte. Dort angekommen, zeigt sich uns ein halb trauriger, halb erfreulicher Zustand. Wie zu erwarten, kennt die Natur kein Zögern, wenn’s um das Zurückerobern all dessen geht, wo menschliches Tun und Handeln ein jähes Ende findet. Mutter Erde gibt und nimmt, zumindest nach menschlichem Ermessen.
Mitten in der Anlage prangte zum Beispiel ein mächtiges Baumskelett, welches vom Feld aus gesehen immer ein markanter Richtpunkt war. Nun ist’s auf die Steine gestürzt und versperrt meinen alten Zugang. Doch war auch zu sehen, daß seither keine anderen Menschen hier etwas berührt haben.
Ein großartiger Ort… unbeschreiblich diese Atmosphäre inmitten der knorrigen Holundergewächse, ungestört mitten im Feld gelegen…
Blót und Runen geben uns Richtung. Dann gehen wir weiter.
Eine weitere Megalithanlage, ein sogenanntes Langbett, flankiert unseren Weg. Die schiere Mächtigkeit des zentral ins Erdreich gebetteten Wächtersteins schiebt jeden alltäglichen Gedanken beiseite. Noch ein Stück weiter befindet sich ein Moor, darüber eine weite Landschaft aus Feldern, Hügeln, Wäldern… und einer Eiche. Einer von Felsen umringten Eiche. Nur wer vor dem halb in der Erde versenkten Deckstein steht und an der rauhen Rinde der Eiche empor schaut, kann fühlen, wen man an diesem Ort anspricht.
Mächtiger Donnerer, Schirmer des Himmels und der Erde. Wir rufen dich an bei deinen Namen: Perun… Donar. Komm‘ hergefahren und bringe dem Land fruchtbaren Regen, den es so dringend nötig hat.
Wir haben heute unsere mythologische Reise am Wasser der Warnow begonnen. Es folgten Steine und Himmel, nun das Abendrot. Etwas unterhalb der Eiche liegt das Moor. Eingang in eine andere Welt, die Dinge in sich aufnimmt, verwandelt, umwandelt, altes zum Abschluß bringt… Nerthus.