Zerrissene Welten – Ein Blótbericht

Diverse Themen in der alten Sitte werden kontrovers diskutiert und sind Plattform für vielerlei Ansichten, die polarisieren. Auch hier in ING´s vorzüglichem Blog wird auf schöne Weise auf solche Themen eingegangen. Ab von weltlichen Themen findet jeder, der ein paar Minuten Zeit investiert sich scheidende Geister zu folgendem Passus:

Eine Esche weiß ich stehn, sie heißt Yggdrasil.

Die hohe, umhüllt von hellem Nebel;

von dort kommt der Tau, der in Täler fällt,

immergrün steht sie am Urdbrunnen.

Die Frage nach der Natur von Yggdrasil, ob es sich nun um eine Eibe oder eine Esche handelt, hab ich immer als total sinnbefreit betrachtet. Jeder, der schon einmal unter einer Eibe gestanden hat, die mehrere hundert Jahre alt ist, wird nicht umhin kommen, dieses Geschöpf als von den Göttern berührt zu empfinden.

Für mich ist bei allen heiligen Eigenschaften, die die Eibe uns präsentieren, eine der faszinierendsten die des Hohlstammes. In einer Phase ihres Lebens, die für alle anderen Baumarten ein Indikator ihres Lebensendes ist, beginnt oftmals die Höhlung des Baumstammes (meistens erst nach ein paar Jahrhunderten Lebenszeit). Bei der Eibe jedoch bedeutet dieses Phänomen lediglich das Ende einer Phase. Sie beginnt, innerhalb ihres eigenen Stammes, Innenwurzeln zu bilden und bleibt trotz hohlen Stammes völlig intakt.

Neben dieser Majestät habe ich dieses Jahr mein Frühjahrsblót abgehalten, von dem ich einfach exemplarisch gerne mal meinen eigenen Blótablauf darstellen möchte. Ich empfinde diesen Blog und seine Gemeinschaft absolut als Kleinod der alten Sitte und ich verstehe, bei allen persönlichen Dingen, die damit zusammen hängen, solche Berichte immer als Gewinn, und sei es, Denkimpulse zu geben, seinen eigenen Weg zu finden. Daher auch von mir etwas persönliches, das lange gedauert hat, bis es gereift war.

Mein Blótablauf ist nicht ungemein unterschiedlich zu denjenigen, auf die man auch auf ING´s wunderbaren Seiten stößt (Asentr.eu Ritualablauf). Ich habe denjenigen Meinungen, die darstellen möchten, dass ein Blót ohne Gode nicht funktioniert eine klare Haltung. Würde ich dem folgen, könnte ich meinen Weg mit den Göttern beenden. Ich komme aus Bayern und jemanden, der meiner eigenen Haltung nach von dem Licht der Götter so stark berührt wurde, dass ich der Meinung wäre, er könne bei ihnen Fürsprache für mich halten, lebt jedenfalls hier in der Gegend nicht. Also ist diese Debatte obsolet und ich praktiziere mein eigenes Ding.

1. Vorbereiten

Ich habe nicht das Glück, ein Eigentum zu besitzen und mir ist die Trennung des heiligen Platzes von der profanen Welt besonders wichtig. Ich bin nie sicher, was dort vorher geschah und ich empfinde es als Respekt vor den Göttern, den Platz, auf dem ich ihnen opfere, zu reinigen und mit diesem in Frieden zu stehen. Ich nutze dafür entweder die Einhegung mit Vébond oder das Hammerritual. Ich leite beides mit einer Edda-Stelle des Hyndlaliedes ein, die ich leicht abwandle auf Basis der Übersetzung von Gering; hier ein Beispiel (bei dem wir jüngst zu zweit waren):

Wir ehren auch Thor

und bitten Ihn,

dass er Gunst und Gnade uns erhalte!

Und wir bitten Ihn um die Weihe dieses Platzes!

Zuvor habe ich grundsätzlich bereits alles aufgebaut. Ich nutze immer ein Tuch, welches auf einem alten Stallr liegt. Diesen habe ich aus einem Brett einer über 70 Jahre alten Standuhr gefertigt, welche ich in dritter Generation besitze. Es ist kein hochwertiges Holz, ziegt mir aber, dass es das gar nicht sein muss, um einem persönlich heilig zu sein. Es bringt mich zu den Geistern meiner Ahnen und etwas Heiligeres für ein Blót kann es nicht geben. Danach folgt das Vébond – hier hat mir gut gefallen, die Passagen der Asgard-Festungen aus dem Grimnirlied zu sprechen. Beim Frühjahrsblót habe ich das Hammerritual durchgeführt. Das gefällt mir auch gut und hat gut gepasst. Hier mag ich gar nichts neues darstellen, ING hat das ausführlich und toll beschrieben.

2. Anrufung aller Götter

Im geweihten Heiligtum rufe ich zunächst alle Götter an. Ich nutze dafür stets die Erweckung der Walküre

Heil Tag!

Heil Tagsöhne!

Heil Nacht und Nachtkind!

Mit holden Augen

schaut her auf uns

und gebt uns sitzenden (betenden) Sieg!

Heil Asen!

Heil Asinnen!

Heil Vanen und Vaninnen! (mein eigener Einschub, ist mir sehr wichtig)

Heil fruchtschwere Flur!

Rat und Rede

gebt uns ruhmreichen zwein

und Heilkraft den Händen stets!

3. Einstimmung

Hier erzähle ich etwas laut, das ich persönlich mit dem bevorstehenden Ritual verbinde. Das mache ich immer und unabhängig davon, ob ich alleine bin oder nicht. Für mich hat ein Ritual immer auch mit Bescheidenheit zu tun und ich möchte das laut verbalisieren, warum ich hier ein Blót mache. Wenn ich vorher ein Gedicht oder so geschrieben habe, das ich damit verbinde, trage ich es der Natur, in der ich mich befinde, vor. Wenn nicht, sage ich einfach, was ich mit dem Blót verbinde. Hier geht es mir nicht darum, was ich haben will, sondern was ich wahrnehme und mich zum Blót überhaupt erst veranlasst. Eine Rede zum Fest quasi.

4. Weihe der vorbereiteten Opfergaben

Bereits zu Beginn liegen die Gaben auf dem vorbereiteten Stallr aus. Diese werden jetzt geweiht. Jetzt mag bei rekonstruktiv orientierten Vertretern unserer Zunft das Messer aufgehen, ich sehe aber darüber hinweg und nutze eine Abwandlung der oben genannte Stelle aus dem Hyndlalied diesmal auf Grundlage von Genzmer. Die lyrische Schönheit beider Übersetzungen besticht mich jeweils in ihrer eigenen Art und daher funktionieren sie für mich beide nebeneinander uneingeschränkt. Ich wandle und ergänze die Stelle für die Opferweihe und füge zusätzlich auch diejenigen Götter ein, denen ich das Blót widmen möchte. Die Stelle soll das am Beispiel Thor und Sif, Bragi und Idun sowie Ostara zeigen. Ein jeder Mitstreiter wird auch den Einfluss von Asentr.eu dort erkennen können:

Den Göttern wollen wir opfern,

treu wollen wir bitten,

daß immer hold sie uns seien.

Ihr Götter!

Thor und Sif, Bragi und Idun, Ostara! Nehmt an diese Gaben als unser Geschenk!

Wir geben von dem, was ihr uns geschenkt.

Jetzt nenne ich die Runen, die ich für das Blót ersuchen möchte. Ich ritze diese in die Opfergaben. Beim Führjahrsblót waren das beispielsweise Äpfel. Ein Ritualmesser ist hier ein tolles Tool. Ist man so talentiert wie ING, gibt´s hier eine Anleitung zum Beispiel.

5. Opfer

Das als eigener Absatz. Ich platziere nach der Weihe die Opfergaben in dem Opfermedium. Das mag Feuer sein (dann würde zwischendrin das Entzünden geschoben werden müssen – Edda-Stellen gibt´s da ganz tolle). Bei mir war es dieses Jahr ein Eibenhohlstamm. Ich nehme also die Gaben vom Stallr, spreche dabei meine Bitte und platziere sie im Medium. Da muss ich sagen, bin ich mittlerweile pointiert geworden. Ich möchte meine Bitte verständlich ausdrücken und keine Ballade draus machen. Ich nutze hier soweit wie möglich Kennings. Kennings sind eine Skaldenkunst und Skalden der Götter wollen wir sein. Hier ein Beispiel für eine Bitte an Bragi. Die Göttin Idun ist seine Gemahlin und wir haben beide im Frühjahrsblót bedacht:

Heil Erster Erschaffer der Dichtkunst (Kenning für Bragi)

nimm an unsere Gaben.

Um Heil in der Rede wollen wir Dich bitten.

Wir sind beide den juristischen Berufen zugehörig und bilden uns akademisch weiter. Das bedeutet, wir bitten hier nicht um Einsicht im Urteil sondern tatsächlich um Heil in unserer eigenen Rede. Um Kreativität und Federheil. Im Kontext des Frühlings und der damit verbundenen Leidenschaft sehr dem Bragi zugehörig.

Die Gaben werden platziert, dann folgt eine Phase der Ruhe. Man soll sich dem bewusst werden, worum man gebeten hat und überlegen, ob die Bitte bescheiden genug und angezeigt war. Das ist mir wichtig. Ich bitte nicht um etwas, das ich zu faul bin, selbst zu machen. Wenn wir uns in dieser Phase fühlen, als hätten wir jemandem, der uns wichtig ist, etwas tolles von uns geschenkt, dann ist das finde ich der Kern der Sache. Ich finde es genauso schlecht, wenn wir um etwas bitten, das gar nicht formuliert werden kann. Wenn eine Bitte nicht angezeigt ist, dann bitte doch nicht. (Nur meine eigene Meinung).

6. Sumbel

Hier jetzt eine Variable. Ich fülle das Horn immer zu Beginn und im Gegensatz zu manchen anderen weihe ich es auch jedes Mal neu und zwar denjenigen Göttern für die ich das Blót abhalte. Ich habe es als schönen Übergang empfunden, die Weihe als „Bindeglied“ zwischen Opfer und Sumbel einzufügen. Das empfinde ich als genauso stimmig, alles zusammen beim Punkt 4 zu machen. Für die Hornweihe nutze ich immer den Passus aus der Erweckung der Walküre nach Gering:

Das Horn segne,

zu bannen das Unheil,

wirf in den Labertrunk Lauch,

dann fürchte ich nicht,

daß gefährliche Dinge

ein Feind in den Met Dir mischt.

Ich packe jetzt entweder eine Laguz Rune in das Horn oder führe diese mit dem Hammer über dem Horn durch. Jetzt beginnt das Sumbel. Ich halte mich an die drei bekannten Runden. Runde 1 für die Götter, Runde 2 für die Ahnen, Runde 3 frei. Das unabhängig davon, ob ich alleine bin oder nicht. Dabei hat sich hier bei uns eine Eigenart entwickelt (die völlig bar jeder Historie entstanden ist 🙂 ). Die erste Runde widmet der Blótleiter den Göttern, er spricht „tink heil“ die nächste, wartende Person sagt „sei heil“. Es wird etwas in der Opferstelle an die Götter geopfert, dann getrunken, weitergegeben. Der nächste opfert nichts, spricht „trink heil“, der nächste „sei heil“ und trinkt. Weitergabe. Runde zwei wird eröffnet, den Ahnen gewidmet. Runde drei wird frei gesprochen. Hier eben hat sich bei uns eingebürgert, dass jetzt jeder noch ein kleines Trankopfer aufgrund seiner freien und individuellen Bitte  bzw. seines Anliegens durchführen darf.

7. Verabschiedung

Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Wichtig finde ich, hier herauszuheben, dass man den Kräften dankt, die vom Blót beeinflusst waren. ING hat auf Asentr.eu hier auch total schöne Beispiele gepostet (Schlußspruch).

Das war mein persönlicher Standardablauf in einem noch sehr zerrissenen Frühlingsbeginn. Er soll maximal ein Denkanstoß sein. Zahlreiche Leser werden eine andere Vorstellung haben, aber auch dann war er wenigstens inspirierend. Mehr kann nicht mein Anspruch sein.

Die Götter mit euch 🙂

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Zerrissene Welten – Ein Blótbericht

  1. Thomas

    Das ist beeindruckend, vielen Dank für’s Teilhaben lassen. In einigen Dingen teile ich deine Einstellung zu 100%, gerade was „Platz“ und „Möglichkeiten“ betrifft.

    Antworten
    1. DAN

      Lieber Thomas,

      sorry für meine verspätete Antwort 🙂

      Vielen Dank für Deine Einschätzung. Ich finde es wichtig, an der „Praxis“ zu forschen und seinen Ablauf für sich zu entdecken. Ich habe selbst recht lange gebraucht, bis ich für mich gemerkt habe, dass das, was ich da tue tatsächlich funktioniert und ich von einem guten Ritual ausgehen konnte. Schön, wie viele Mitstreiter hier mittlerweile regelmäßig sind 🙂

      Antworten

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